Im April 1933 begann die Einrichtung von Sondergerichten für spezielle Strafsachen. In Nürnberg trat es erstmals am 12. April zusammen. Das Sondergericht Nürnberg gilt als besonders brutales Instrument der NS-Herrschaft: Von den 16 Angeklagten beim Nürnberger Juristenprozess 1947 wurden nur vier zu lebenslangem Zuchthaus verurteilt, davon zwei Richter des Sondergerichts Nürnberg, Oswald Rothaug und Rudolf Oeschey.
Die Sondergerichte waren ab 1933 für politische Strafsachen zuständig, ab 1939 auch für mit dem Krieg zusammenhängende Delikte. Dazu gehörte die Herstellung illegaler Schriften, „Hochverrat“, regimekritische Äußerungen, „Wehrkraftzersetzung“ oder das Hören von „Feindsendern“.
Das Sondergericht Nürnberg war für seine scharfe Verhandlungsführung und überdurchschnittlich viele Todesurteile berüchtigt. Tausende WiderstandskämpferInnen oder Menschen, die durch unvorsichtige Äußerungen ins Visier der NS-Justiz gerieten, wurden dort zu oft hohen Freiheitsstrafen oder zum Tode verurteilt. Viele von ihnen im Sitzungssaal 600, der 1945/46 Schauplatz der Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse war.
Bis Ende 1942 wurden mindestens 66 Todesurteile gefällt und alleine im ersten Halbjahr 1944 17 Todesurteile.
Das Sondergericht Nürnberg verhängte eines der ersten Todesurteile wegen des Hörens von „Feindsendern“: Der Nürnberger Brandmeister Johann Wild wurde am 7. März 1941 zum Tode verurteilt.
Traurige Berühmtheit erreichte das Nürnberger Gericht durch den Prozess gegen Leo Katzenberger. Der Vorsitzende der israelitischen Kultusgemeinde in Nürnberg wurde 1942 hingerichtet – wegen angeblicher „Rassenschande nach dem Blutschutzgesetz in Verbindung mit der Verordnung gegen Volksschädlinge“.
Der über 60-jährige Katzenberger soll eine intime Beziehung mit einer jungen „Arierin“ eingegangen sein. Dabei habe er – so das Urteil – die durch den Kriegszustand verursachten Verhältnisse ausgenutzt. Vor Gericht bestritt Irene Seiler das Verhältnis – und kam deshalb wegen „Meineids“ ins Gefängnis. Damit war die Entlastungszeugin ausgeschaltet. Der Schauprozess gipfelte in einem Justizmord, denn selbst nach NS-Recht hätte der Angeklagte nicht zum Tode verurteilt werden dürfen.
Sogar der Staatssekretär im Reichsjustizministerium Roland Freisler bezeichnete das Urteil als „etwas kühn“, die Anwendung der Verordnung sei „gerade noch gegangen“, habe aber
„auf Messers Schneide“ gestanden.
Richter Rothaug dazu: „Für mich reicht es aus, dass dieses Schwein gesagt hat, ein deutsches Mädchen hätte ihm auf dem Schoß gesessen.«
Hinrichtungsort der in Nürnberg zum Tode Verurteilten war das Gefängnis München-Stadelheim.
Kurz vor Kriegsende wurden überall Standgerichte gebildet, die schnell und rücksichtslos urteilten. So verhängte im März 1945 ein Nürnberger Standgericht drei Todesurteile, die gleich vollstreckt werden. Darunter gegen eine Ladeninhaberin, die sich für die Beendigung des verlorenen Kriegs ausgesprochen hatte.
Zwei Richter:
Oswald Rothaug:
Genannt „der Scharfrichter“. War erst Staatsanwalt in Nürnberg, ab
1937 Landgerichtsdirektor und Direktor des Sondergerichts in Nürnberg. Seit 1938 Mitglied der NSDAP. Arbeitete ehrenamtlich im Sicherheitsdienst des
Reichsführers SS (SD) mit. Verhängte 1942 Todesstrafe gegen polnischen
Zwangsarbeiter: „Die ganze Minderwertigkeit des Angeklagten auf charakterlichem Gebiet ist offensichtlich in seiner Zugehörigkeit zum polnischen Untermenschentum begründet“. Verurteilte Leo Katzenberger. Ab Mai 1943 Reichsanwalt und damit Ankläger am Volksgerichtshof in Berlin.
Im Nürnberger Juristenprozess 1947 zu lebenslanger Haft verurteilt, 1956 vorzeitig entlassen.
Rudolf Oeschey:
Seit 1931 in der NSDAP. Erst beim Landgericht Nürnberg, seit Mai 1943 Vorsitzender des Sondergerichts Nürnberg. Leitete im April 45 ein ziviles Standgericht. Von Kollegen als „blutrünstiger Richter“ bezeichnet. Fällte überdurchschnittlich viele Todesurteile.
1947 zu lebenslanger Haft verurteilt, 1955 vorzeitig entlassen.